Liebe Familie und liebe Freunde
Nachdem ich die letzte Nacht in Wetteren verbracht habe, dies neben der E40, wurde ich mit einem feinen Morgenessen gestärkt. Leider habe ich am Vorabend keine Gelegenheit mehr gepackt, etwas essen zu gehen. Das heisst, ich konnte im Motel noch einen kleinen Toast haben, wobei, seht selber, was es heisst in Belgien einen kleinen Toast zu bestellen...
So machte ich mich gegen 10.00 Uhr wieder auf die Reise und fuhr via Merelbeke Richtung Tielt. Eine Stadt, die vor allem auch im 1. Weltkrieg seine Rolle spielte. Die Fahrt dorthin war wiederum sehr eindrücklich. Ich fuhr an alten Bunkern des 2. Weltkriegs vorbei, die selbst alleine schon genügend Zeit beanspruchen würden, einen ganzen Tag zu füllen.
Die Architektur, die hier in Belgien gelebt bzw. ausgelebt werden kann, ist doch etwas vielfältiger als in der Schweiz. Ich sage nicht besser, aber anders. Da werden alte Schlösser privat umgenutzt, ja, dies gibt es bei uns auch. Alte Mühlen, von diesen gibt es bekanntlich viele in Belgien, werden zu modernem Wohnraum umgenutzt.
Aber auch die Kombination von Holz und Sichtmauerwerk lässt hier anscheinend vielmehr (gesetzlichen oder reglementarischen) Freiraum zu. Sichtmauerwerk in normalem „Ziegelsteinorange“ oder in Anthrazit, hellerem grau oder gar in Schwarz. Viel Glas und sehr viele kubische Bauten - trotzdem sieht man immer noch sehr viel der alten Bauart in Belgien. Reihenhäuser, Haus an Haus, Strasse um Strasse und zwischendrin einmal ein modernes neues Zwischenhaus.
Über lange und sehr schöne Radwege kam ich dann schliesslich Richtung Tielt an Sträussen vorbei. Die fanden es schön, einmal einen Schweizer Radfahrer zu sehen, oder vielmehr interessierte sie das Rascheln meines „Einmach-Säckleins“, welches ich permanent um mein Handy trage. Tielt lag vor mir und ich suchte nach einer Verpflegungsmöglichkeit, nach einer Frittenbuden oder einfach nach einem frietkot (ne frituur).
Nun ging es mir darum, eine alte ehemalige Ordensschwester namens Clara zu finden. Sie war vor über 30 Jahren eine der Pflegerinnen meiner Grussmutter mütterlicherseits. Ich hatte eine Adresse, doch wie sich dies herausstellte, war nicht mehr gültig bzw. aktuell. Sie wohnte nicht mehr in Egem, sondern eben in Pittem - das waren ja nur noch einmal rund vier km mehr - kein Problem - ich machte mich wieder auf den Weg. Ich „landete“ in Pittem vor einem älteren Gebäude, das aussah, wie ein Schulhaus. Doch, was konnte ich verlieren? Nichts. Also machte ich mich daran, sie zu suchen. Ich öffnete die grosse Tür, denn aussen stand an der Fassade, „innen läuten“. Doch innen hatte es keine Glocke, also ging ich wieder die grosse Tür raus. Ich läutete und nach einigen Minuten kam eine ältere Frau. Sie fragte mich, was ich denn wolle, bzw. ob ich einen Termin hätte? Natürlich hatte ich diesen nicht, denn dann wäre es ja auch keine Überraschung gewesen. Die Dame an der Tür sagte, dass sie keinen Besuch reinlassen dürfe, dies sei klar eine Vorschrift. Ich sagte, dass ich die Schwester Clara schon lange nicht mehr gesehen hätte und sie uns jedes Jahr auch zu Weihnachten schreibe - nach ca 20 minuten, kam nach kurzem Rückfragen der Dame an der Tür, eine weitere Dame dazu. Auch sie wollte noch einmal wissen um was es gehe. Ich hätte mich anmelden sollen, dann wäre dies möglich gewesen.... schliesslich sagten sie mir, dass ich reinkommen solle - übrigens ich lief die ganze Zeit mit Mundschutz rum, hingegen die Bewohnerinnen des Hauses nicht. Es schien für die Damen hinter den Mauern etwas suspekt, dass ich mit dem Rad aus der Schweiz eine Schwester hinter den Mauern besuchen wollte.... :-) - aber es klappte. Ich wurde in einen Raum geführt, der ein Klavier drin hatte und viele ältere, aber einfache Möbel. Die Dame bat mich noch, an den hintersten Platz zu setzen und ihr noch behilflich zu sein, die Distanzscheibe auf dem Tisch zu platzieren... Als Schweizer ist man natürlich immer hilfsbereit, vor allem im Ausland.
Schwester Clara kam und war überwältigt, was ich hier „veranstaltet“ habe. Sie wusste noch genau, wer ich bin und wieviele Kinder wir haben.... aber dies ist nun wieder etwas, was ich nicht hier beschreibe. Es war auf jeden Fall schön zu sehen, wie ältere Menschen, auch hinter Mauern, oder im Alters- und Pflegeheim, Freude haben, einfach mal wieder Besuch zu erhalten. Sollten nicht wir alle uns auch einmal an der Nase nehmen? Immer natürlich unter Einhaltung der Hygienevorschriften.
Der Rückweg nach Gent, wählte ich eher wieder dem Wasser entlang. Nicht weil ich nahe am Wasser gebaut wäre, sonder einfach, weil es so etwas beruhigendes hat. Man sieht Schiffe aus aller Welt, die das eine oder andere transportieren. Sichtlich ruhig und ungestresst fahren diese durch die teils schmalen Kanäle - auf den Schiffen muss man sich vorkommen, wie ich mir auf meinem Fahrrad, wenn mir lange niemand entgegenkommt - überholen liess ich mich seit der Radfahrerin am zweiten Tag und von der Radfahrergruppe mit 30 Mann nicht mehr... ein wenig Stolz habe ich auch noch :-).
In Gent habe ich mich diesmal im Ibis Budget Hotel im Hafenbezirk niedergelassen. Stimmungsvoll war der Abend - aber ich war wieder etwas spät dran. Denn ich musste ins Zentrum doch einige Meter laufen, doch bis ich mich umgezogen hatte und loslief, lief auch der Himmel aus - es schüttete wie aus allen Kübeln. Aber lieber am Abend, wenn ich Feierabend habe, als wenn ich auf dem Rad sitze.
Unter https://www.relive.cc/view/vDqgDMQ5KVv ist das aktuellste Video zu sehen - viel Spass.
Am Dienstag, 25. August 2020 werde ich Gent einmal „besuchen“ - die eine oder andere Sehenswürdigkeit einmal von innen oder oben anschauen. Am Mittwoch werde ich mich dann, in Absprache mit Petrus, noch einmal Richtung Kuurne begeben, denn ich möchte ja die Ververie noch kennenlernen - die Stammkneipe des örtlichen Radvereins. Niels und Willem: ich werde da sein!
Also, bis bald und bleibt gesund.
Liebe Grüsse
Sämi













































